Interkult

Institut für interkulturelle Bildung und Entwicklung
Campus Südstadt
Ubierring 48, 50678 Köln

Prof. Dr. Markus Ottersbach

Prof. Dr. Markus Ottersbach

Angewandte Sozialwissenschaften
Institut für Migration und Diversität (MIDI)

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Migration ist Mobilität

150 Teilnehmer(innen) diskutieren in der Fachhochschule Köln im Rahmen der 14. Internationalen Migrationskonferenz über das Verhältnis von Migration und Mobilität

Migration und Mobilität werden in öffentlichen Diskursen vielfach als unterschiedliche Phänomene wahrgenommen und diskutiert: Von Migration wird eher dann gesprochen, wenn es um Arbeitskräftewanderungen aus nicht europäischen Ländern, aus Drittstaaten oder um Flucht und Asyl geht. Als Mobilität werden zum einen innereuropäische und speziell inner-EU-Wanderungen und generell auch Wanderungen von Hochqualifizierten bezeichnet. Dies verweist darauf, dass Fragen von Migration und Mobilität immer auch mit spezifischen Positionierungen innerhalb komplexer gesellschaftlicher Verhältnisse verbunden sind. Sie verweisen aber auch darauf, dass die jeweiligen Deutungen sozialer Verhältnisse in Macht- und Herrschaftsverhältnisse eingebunden sind. Im Kontext globaler Krisen, wie beispielsweise Finanzkrisen, Umweltkatastrophen und kriegerischen Auseinandersetzungen werden diese Deutungen virulent, da sie mit spezifischen Legitimations- und Delegitimationsstrategien von Migration verbunden sind. Die Frage nach der Unterscheidung von Migration und Mobilität gewinnt daher verstärkt an Bedeutung.

Vor diesem Hintergrund hat sich die diesjährige 14. Internationale Migrationskonferenz, die vom 03. bis 05. Juli an der Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften der Fachhochschule Köln stattfand, mit dem Thema „Migration und Mobilität“ beschäftigt und dabei das wechselseitig verschränkte Verhältnis der beiden Phänomene im Zusammenhang mit geografischen und sozialen Veränderungsprozessen untersucht. Dabei wurden verschiedene disziplinäre Perspektiven und unterschiedliche, insbesondere auch internationale Kontexte thematisiert und diskutiert.

Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes bei der Eröffnung der TagungBürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes bei der Eröffnung der Tagung (Bild: Costa Belibasakis/FH Köln)

Ca. 150 Wissenschaftler(innen), Praktiker(innen) der Sozialen Arbeit, Lehrkräfte und Studierende aus Deutschland, der Schweiz, Österreich, Luxemburg, Italien, Frankreich, Großbritannien, Polen, der Türkei, den Niederlanden, Belgien und sogar aus Kanada, Kolumbien und Thailand nahmen an der Konferenz teil. Deutlich wurde dabei, dass Migration und Mobilität hochkomplexe, vielschichtige und dynamische soziale Zusammenhänge sind, die sich dauerhaften kategorialen Zuordnungen verweigern. Die in der Migrations- und Mobilitätsforschung gewohnten Topoi, beispielsweise Touristen, Arbeitsmigranten und Arbeitsmigrantinnen, Familiennachzügler und Familiennachzüglerinnen, Aussiedler und Aussiedlerinnen und Spätaussiedler und Spätaussiedlerinnen, Studierende, Flüchtlinge, Saisonarbeiter und Saisonarbeiterinnen und Berufspendler und Berufspendlerinnen sind zu fluiden Kategorien geworden, sie lösen sich auf, werden im weiteren Migrations- und Mobilitätsverlauf zu bloßen Übergängen und verdichten sich anschließend wieder in neuen Formen. So werden z.B. aus Touristinnen und Touristen etwa Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten, aus "ausländischen" Studierenden Flüchtlinge und Saisonarbeitende. Während die älteren, weiterhin existierenden Formen der Migration vielfach durch Aufbrechen und Weggehen einerseits und Ankommen bzw. Bleiben andererseits gekennzeichnet sind, sind für die neueren Formen geografischer Mobilität eher kontinuierliche Bewegungen von
Menschen charakteristisch, wie sie etwa im Rahmen der Netzwerkforschung oder in der transnationalen Perspektive sichtbar gemacht werden.

Veranstalter der Konferenz waren die Kompetenzplattform für Migration und interkulturelle Kompetenz (KOPF) der Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften der Fachhochschule Köln (Deutschland), das Institut Integration und Partizipation der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW (Olten, Schweiz), das Institut für Regional- und Migrationsforschung IRM (Trier, Deutschland), das Centre de Documentation sur les Migrations Humaines CDMH (Dudelange, Luxemburg) und das Institut für Erziehungswissenschaft, Fakultät für Bildungswissenschaften, Universität Innsbruck (Österreich).

In Plenen und in parallel stattfindenden Workshops wurde diskutiert zu Themen wie z.B. Hoffnungen und Probleme polnischer Wanderarbeiter, die Verbindung von geografischer und sozialer Mobilität, Migrationspolitik als Legitimierung von Ausgrenzung, Mobilität oder Migration – Unterschiedliche Diskurse und ihre praktischen Auswirkungen, Arbeitsmigration und die Krise in Europa, Transnationale Netze und lokale Verortungen, Hochqualifizierte Migrantinnen am deutschen Arbeitsmarkt, Migration und Mobilität als Unterscheidung in der Sozialen Arbeit mit Migrant(inn)en, Schüleraustausch und bildungsbezogene Auslandsaufenthalte und Soziale Milieus und soziale Mobilität von Migrant(inn)en.

Dr. Matthias Wagner (Universität Bielefeld) in der Diskussion mit StudierendenDr. Matthias Wagner (Universität Bielefeld) in der Diskussion mit Studierenden (Bild: Costa Belibasakis/FH Köln)

Im Rahmen einer Pressekonferenz wurde von den Veranstaltern dargestellt, dass insbesondere Flüchtlinge Opfer einer eher negativen Bewertung von Migration sind (vgl. hierzu z.B. den Beitrag „Flüchtlinge werden nur als Last gesehen“ im Kölner Stadtanzeiger vom 08.07.2014). Im Vergleich zu anderen Ländern nimmt Deutschland bisher nur einen Bruchteil der Flüchtlinge auf. Die Anerkennungsquoten sind zudem weiterhin relativ gering, d.h. nur jeder dritte Flüchtling kann in Deutschland vorübergehend bleiben. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk machten Prof. Dr. Thomas Geisen von der Fachhochschule Nordwestschweiz und Prof. Dr. Markus Ottersbach von der Fachhochschule Köln darauf aufmerksam, dass die negative Bewertung bestimmter Migrantengruppen langfristig auch für die Aufnahmeländer von Nachteil ist. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels seien sowohl die Schweiz als auch Deutschland auf Zuwanderung angewiesen. Statt Flüchtlinge Repressalien auszusetzen, sollten sie positiv aufgenommen und frühzeitig in Bildungs- und in soziale Anerkennungsprozesse eingebunden werden.

Die eher theoretischen Beiträge wurden durch ein Kulturprogramm abgerundet. Am Donnerstagabend wurde seitens einer deutsch-französischen Forscher(innen)gruppe unter der Leitung von Prof. Dr. Ahmed Boubeker von der Universität St. Étienne und Prof. Dr. Markus Ottersbach ein gerade erschienenes Buch zum Thema „Diversität und Partizipation“ präsentiert und am Freitagabend wurde im Kölner Flüchtlingszentrum mit der Kölner Eierplätzchenband gefeiert.

Am Ende der Konferenz wurde noch einmal deutlich, dass die Diskussionsprozesse noch lange nicht beendet sind. Angesichts neuer Herausforderungen sind Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft dazu aufgerufen, sich auch in Zukunft mit dieser Thematik zu beschäftigen. Eine weitere Gelegenheit, dies zu tun, besteht vom 18. bis 20. Juni 2015 in Luxemburg, wenn das Centre de Documentation sur les Migrations Humaines (CDMH) in Dudelange die 15. Internationale Migrationskonferenz zum Thema „Migration und Gender“ durchführt.

Juli 2014

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